10 September 2013

HEIMATMUSEUM OBERSTDORF IN NEUEM KLEID UND REKONSTRUKTIONEN

Es war einmal...

Im "neuen" Kleid, nämlich seiner historischen Fassade, zeigt sich das Heimatmuseum Oberstdorf, nachdem wir es am 10.09.2013 abgerüstet haben. Ein Besuch lohnt sich, die Bilder zeigen nicht annähernd den Eindruck vor Ort!

Die alte, "neue" Fassade des Heimatmuseums zeigt deutlich mehrere Bauabschnitte, nämlich mindestens 3: Von Marc Horle wurden deswegen für die ersten beiden Bauabschnitte Rekonstruktionen aufgrund des Befundes gezeichnet, wie das Gebäude ausgesehen hat:

Das linke Bild zeigt das Gebäude im Zustand nach dem Bau 1620. Eine genaue Datierung wäre wohl nur durch den drochronologische Verfahren möglich. Es bestand im Erdgeschoss aus der Stube, dem Gaden und dem Flur und den dazugehörigen Kammern im 1. OG. Auffällig ist, dass die Stube und die Oberstube 3 Fenster auf jeder Außenfassade besitzen. Auf der Südseite, vor allem im OG, zeichnen sich diese noch heute ab im Format 65x95 cm. Das Gebäude besitzt eine ca. 14 cm starke massive Außenwand aus Holzbalken mit einer nur relativ schwach als Schwalbenschwanz ausgebildeten Verzinkung, die vermutlich nur gedübelt ist. Dies ist typisch für ältere Häuser (später wurden die Schwalbenschwänze stärker ausgebildet und statt der Verdübelung eine Vernutung an der Innenseite angeordnet, die besonders winddicht ist, das sogenannte Schloss; erst dann spricht man von einer geschlossenen Konstruktion). Nur der Flur im 1. OG besitzt eine Blockbohlenkonstruktion mit Kopfbändern. Anfang des 17. Jahrhunderts verschwindet das Element der Firstsäule, das bis dahin die 5-prozentigen Setzungen des Holzes ausglich, indem sie die Dachhöhen beibehielt. Erst später beherrschte man den Ausgleich, indem die Sparren im Laufe der Trocknungsphase in die Kerben rutschten. Ob das Gebäude noch mit einer Firstsäule ausgestattet war oder nicht lässt sich nicht mehr erkennen. Ob der Eingang an dieser Stelle wie heute saß lässt sich nicht nachweisen; die unterschiedliche Balkenteilung lässt es aber vermuten. Auf der Ostseite befindet sich rechts oberhalb der Stubenfenster eine mit Holzbalken verschlossene Öffnung. Ich vermute, das war früher der Rauchabzug der Leuchte, die später in den Flur als Küche wanderte.

Das rechte Bild zeigt den Bauzustand eines oder mehrerer Umbauten zwischen 1620 und 1848. Im übrigen wurde das Baujahr 1620 mündlich überliefert und kam aufgemalt unter den Schindeln im Giebel zutage, genauso wie das Jahr 1848, als das Gebäude in den heutigen Zustand versetzt wurde. Die Fassade war unverkleidet und jahrzehntelang von der Sonne verbrannt. Die Schindeln wurden um 1880 schon mit Maschinennägeln aufgebracht und waren
anfangs unbehandelt. Es handelt sich um ca. 80.000 Schindeln mit 160.000 Nägeln.

Das rechte Bild zeigt die Veränderungen der Fenster. In der Stube und Oberstube wurden an jeder Außenwand aus 3 schmalen Fenstern 2 breitere Fenster gemacht; die neuen Zwischenräume wurden mit Massivholz aufgefüllt. Durch eine Erhöhung der Brüstung konnten sich wie oben erwähnt die alten Fenster abzeichnen. Auf der Nordseite wurde ein Anbau gemacht in Blockkonstruktion mit abgesetzt verkämmten Eckverbänden. Dieser Anbau wurde mit einer sogenannten Anfaßsäule an den Bestand angefügt. Das Dach war mit Sicherheit ohne Firstsäule. Auf der Südfassade zeichnen sich die Spannläden der Decken ab. Irgendwann wurde eine neue Decke auf der alten eingebaut, so dass 2 Spannläden übereinander sitzen. An eingestemmten Löchern in Höhe der Decke über EG lässt sich erkennen, dass das Gebäude dort einen Umgang besaß. Der Rest eines Loches auf der Ostseite direkt angrenzend an die Aufstockung des Gebäudes mit einem DG lässt vermuten, das im Giebel ebenfalls einer war (nicht dargestellt)

In einem Heft der Schriftenreihe "Unser Oberstdorf" befindet sich der Hinweis, dass der Hausbesitzer 1847 seinen großen Anteil an der Alpe Käserstatt im Traufberg für über 3.000 Gulden verkaufte. Vermutlich finanzierte er damit den Umbau des Hauses 1848. Das Dachgeschoß und das Dach wurden deutlich erhöht und erneuert in geschlossener Holzkonstruktion. Der Fenstereinbau und wohl auch der Ausbau erfolgten in diesem Zug. Im Dachgeschoß wurden 4 Fenster eingebaut; um eine Symmetrie herzustellen wurde rechts ein Fenster nur aufgemalt und mit einem Holzrahmen versehen; dazu wurde sogar ein vorstehender Balken ausgestemmt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde die heutige Webkammer auf der Nordseite angebaut, wieder mit einer Anfaßsäule an die unsauber abgeschnittenen verkämmten Eckverbände. Die Konstruktion ist im EG massiv; im OG befindet sich ostseitig eine Blockbohlenkonstruktion und nordseitig Fachwerk. Die deutlich höhere Ausführungsqualität des Dachgeschosses lässt vermuten, dass der nordseitige Anbau vor 1848 nur provisorisch erfolgte und später an das neue Dachgeschoss angepasst wurde.

Manche fragen warum das Haus geschindelt wurde. Ein schlechter Bauzustand war es nicht. Grund war wohl, dass es nicht mehr modern war, in einem sonnenverbrannten geschlossenen Holzhaus zu leben. Im Mittelmarkt waren viele neue massive Gebäude entstanden nach dem Großen Brand von 1865, dazu kamen verschindelte Häuser von Vorbildern wie das Jagdhaus des Prinzregenten Luitpold oder die Villa Jauss. Der sonnenverbrannte Zustand der Fassade von 1848 zeigt, dass sie mehrere Jahrzehnte ohne Verkleidung war. Gleichzeitig zeigen die ältesten bekannten Fotos die Fassade verschindelt. Daher ist zu vermuten, dass die Fassade um 1880 verschindelt wurde.

Aus dem Band 5 der Geschichte des Marktes Oberstdorf und einem Schild im Dachstuhl geht hervor, dass der Weststeil des Gebäudes inklusiv dem DG 1921 als Notwohnungen ausgebaut wurde, nachdem das Gebäude Anfang des 20. Jahrhunderts zu wohltätigen Zwecken an die Gemeinde gestiftet wurde.